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Hier erscheint jeden Tag ein neuer Tagebucheintrag aus der achten Woche meiner 88-tägigen Reise auf dem Jakobsweg. In dieser Woche habe ich jeden Tag einen Tagebucheintrag geschrieben.
In der achten Woche habe ich folgende Strecken zurückgelegt:
Falls du gerade erst auf mein Tagebuch stößt, findest du hier die Einträge aus den anderen Wochen:
Der neuste Tagebucheintrag steht jeweils unten. Du kannst meinem Kopf beim Rattern und Springen von A nach B zusehen – viel Spaß dabei.
Ich habe ab und an ein Produkte verlinkt. Wenn Du über diese Links einkaufst, unterstützt du meine Arbeit an WanderVeg.de – für dich bleibt der Preis natürlich der gleiche.
[timed ondate=“20170904″]Tagebucheintrag von Freitag, den 04.09.2015:
Tag 50, Livinhac-le-Haut – Figeac, 24km – ca. 200hm
Heute haben wir zur Feier des Tages (Tag 50) schön gemeinsam gefrühstückt und sind (mal wieder) relativ spät nach Figeac aufgebrochen. Eine lange Pause haben wir uns dennoch gegönnt, den ein oder anderen Kaffee ebenfalls. Schließlich ist Figeac auch nur 25km entfernt. Ganz entspannt also.
In Figeac haben wir in der Unterkunft erstmal geduscht, haben anschließend ein Bier getrunken und waren etwas essen. Der Salat, der extra für mich zubereitet wurde, war der Hammer und wir ließen danach den Abend mit einer letzten gemeinsamen Flasche Wein ausklingen. Morgen trennen wir uns dann wirklich, aber ich weiß noch nicht so richtig, welchen Weg ich gehen soll. Ich habe die Wahl zwischen dem „normalen“ Weg auf dem GR65 und einem kleinen Umweg über den GR651, der etwas weiter ist. Ich entscheide morgen spontan, wo ich langgehe. Vielleicht lasse ich auch die Münze entscheiden?
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[timed ondate=“20170905″]Tagebucheintrag von Samstag, den 05.09.2015:
Tag 51, Figeac – Limogne-en-Quercy, 46km – ca. 450hm
Heute morgen nach dem Frühstück habe ich mich von Charlotte, Lauren und Maarten getrennt und war wieder allein unterwegs. Mit Vollgas ging es so an Tag 51 Richtung Limongne-sur-Quency. 46km. Die haben sich aber relativ easy angefühlt. Ich bin mit einem weinenden und einem lachenden Auge wieder allein unterwegs gewesen.
Gestern Abend fand ich Charlotte und Maarten anstrengend – das lag wahrscheinlich am Alkohol. Aber insgesamt hatten wir eine geniale Zeit, die ich sicher nicht so schnell vergessen werde. Vielleicht sehen wir uns ja wieder. Obwohl das eher unwahrscheinlich ist, ich habe nämlich heute das Cent-Stück, welches ich in Le Puy-en-Velay gefunden hatte, entscheiden lassen, ob ich den GR65 oder dem GR651 nehme. Und da der GR65 dabei rauskam, werde ich auch die ursprünglich geplante Abkürzung um Cahors herum nehmen und deshalb mit Vollgas Richtung Saint Jean Pied de Port starten.
Morgen stehen über 50km an. Hoffentlich nehme ich mir da nicht zu viel vor. Ich hab etwas Verpflegung dabei, aber dennoch einen sehr leichten Rucksack. Jetzt muss nur noch ein Zimmer in der Gite frei sein. Heute aus Figeac heraus waren nämlich wirklich viele Menschen unterwegs, aber später so gut wie gar nicht mehr. Ein Münchner hat mir ein Ohr abgekaut und obwohl ich offensichtlich nicht an seinen Stories interessiert war, hat er immer weiter geredet. Ich mag Menschen nicht, die einfach immer und überall deutsch sprechen. Ein bisschen Mühe kann man sich zumindest geben. Vielleicht mag ich es auch nicht, dass man mich als Deutschen identifiziert? Mit dieser Frage im Kopf gehe ich jetzt schlafen.
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[timed ondate=“20170906″]Tagebucheintrag von Sonntag, den 06.09.2015:
Tag 52, Limogne-en-Quercy – Lascabancs, 48km – ca. 200hm
Heute war ein guter Tag. Obwohl es heute morgen eiskalt und dunkel war, als ich los bin. Und obwohl ich immer noch Schulterschmerzen habe. Aber die Freiheit in meinem Kopf ist stärker als all diese Lapalien. Die unglaubliche Natur, die es hier jeden Tag aufs Neue zu genießen und zu bewundern gibt ist einfach nur unfassbar schön. Das Leben und die dazugehörige Freiheit, die ich hier verspüre, sind es auch.
Dabei habe ich heute wieder mit meinen Leben gespielt, ohne dass es wirklich Not getan hat. Aber wer geht schon Umwege, wenn er auch über die Autobahn gehen kann?! Oha. Wenn das meine Mutter wüsste…aber es war weit und breit kein Auto zu sehen und langsam bin ich ja auch incht. So what?!
Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr fällt mir auf, wie viele Menschen in der ersten Welt mehr als fahrlässig mit dem größten Luxus, ihrer Freiheit, umgehen. Menschen in anderen Ländern werden unterdrückt und gefoltert, wenn sie nur an die Freiheit denken und wir unterwerfen uns freiwillig Zwängen und treten die Freiheit dabei mit Füßen, indem wir sie nicht ausleben. Doch was heißt Freiheit ausleben? Ich denke natürlich erstmal daran, was ich als Freiheit verstehe – auch Freiheit definiert jeder anders. Ich kann mir dennoch nicht vorstellen, dass viele Menschen glücklich sind. Dafür wird zu viel gemeckert, gejammert und geneidet. Frieden und Freiheit gehen Hand in Hand und fangen im Kopf an.
Es ist unglaublich, wie gut sich dieser Weg für mich anfühlt. Wie zufrieden ich mich fühle, obwohl ich zu Hause doch sehr vermisse. Mir geht es hier blendend. Ich würde fast soweit gehen zu sagen, dass es mir besser geht als jemals zuvor. Hier habe ich wirklich die Zeit, mich mit dem auseinanderzusetzen, was mir wirklich Freude bereitet. Das fühlt sich gut an. Ich bin mir sicher, ich werde noch weitere Themen „bearbeiten“, viele tolle Ideen finden und weiterhin meinen Spaß haben. Ich muss es irgendwie hinkriegen, ein ähnliches Leben auch nach meiner Rückkehr beizubehalten. Das bedeutet Fixkosten auf ein Minimum senken. Nächster Halt: das Land, in dem Sojamilch und Agavendicksaft fließen.
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[timed ondate=“20170907″]Tagebucheintrag von Montag, den 07.09.2015:
Tag 53, Lascabancs – Saint Martin, 37km – ca. 400hm
Tag 53 und ich war heute „nur“ 37km unterwegs. Morgen werden es wohl noch ein paar weniger, da es ansonsten schwer wird, eine Unterkunft zu finden. Heute ist die Unterkunft auch eher mau. Die Unterkunft an sich ist sehr cool, aber die hygienischen Zustände lassen etwas zu wünschen übrig. Gerade, wenn man x Hunde hat, sollte man doch regelmäßig sauber machen. Im Nachhinein wünsche ich mir, ich hätte eines der Mobilhomes hier um die Ecke gebucht, aber im Nachhinein ist man immer schlauer.
Heute morgen hab ich mir erstmal das Brot vom Frühstück mitgenommen – ich weiß immer noch nicht so richtig ob das ok war oder ob das schon als „Diebstahl“ gilt. Aber jetzt kann ich es sowieso nicht mehr rückgängig machen. Ansonsten war heute ein echt cooler Tag mit viel Sonne, einem guten Kaffee in der Altstadt von Lauzerte, einem emotionalen Ende von „Peter Pan“, viel Spaß beim Hören von „Er ist wieder da“, einem 30 sekündigen Gespräch mit einer gut aussehenden Spanierin, die mich nach dem Weg gefragt hat und dem Franzosen Josef, der heute gestartet ist und ein Gespräch gesucht hat. Leider ist mein Französisch immer noch nicht so bombastisch gut und sein Englisch war auf meinem Französisch-Niveau.
Je mehr ich über die Zukunft nachdenke, desto mehr Lust habe ich, zwei bis drei Jahre komplett auszusteigen. Aber das passt dann zeitlich nicht mit dem Studium zusammen. First-World-Problems oder so. Aber ich bin mir sicher, dass ich eine gute Lösung für das „Problem“ finden werde. Jeweils drei Monate während der Semesterferien reisen wäre ja schonmal ein Anfang. Dazu brauche ich Geld. Und wo das herkommen soll, weiß ich gerade noch nicht. Ich bin bereit zu arbeiten, von daher ist das nicht das große Problem. Vielleicht sollte ich wirklich beim Umzugsunternehmen anfangen Da bewegt man sich, tut damit was für seinen Körper und ich habe währenddessen Zeit zum Nachdenken.
Egal morgen ist morgen und heute ist heute. Ich geh jetzt schlafen und schaue einfach, dass ich morgen relativ früh hier wegkomme.
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[timed ondate=“20170908″]Tagebucheintrag von Dienstag, den 08.09.2015:
ag 54, Saint Martin – Auvillar, 32km – ca. 350hm
Heute habe ich es ganz relaxed angehen lassen. Die 32km von Saint Martin nach Auvillar waren relativ locker und ich habe das Hörbuch von „Er ist wieder da“ zu Ende gehört, weil es einfach nur super witzig war. Morgen will ich wieder Vollgas geben und wieder die 50er Marke knacken. Spanien ist nicht mehr weit und ich will so langsam aus Frankreich raus. Ich bin mal wieder zu ungeduldig. Same procedure as everytime.
Die Gite in Auvillac ist sehr angenehm, aber es sind nur ältere Menschen hier. Bin mit zwei Franzosen und einem Belgier auf dem Zimmer. Sie reden die ganze Zeit nur Französisch. Das nervt mich so langsam. Also mich nervt, dass ich kein Französisch spreche. Das nervt mich immens. Wenn ich zurück bin muss ich das wirklich reaktivieren.
Meine Xing Aktion, alle Kontakte anzuschreiben und auf meine Spendenaktion hinzuweisen, hat bis auf 10€ nichts Zählbares eingebracht. Aber jeder Euro zählt und notfalls stock ich halt nachher auf 3.200€ auf.
Heute war wieder eines dieser witzigen Ereignisse fällt mir gerade auf. Es sind oft solche Kleinigkeiten, die man dann schnell abtut oder als nicht besonderes ansieht. Dabei sind es wirklich sehr große Zufälle. Ich habe irgendwas pickelartiges an der Lippe. Immer wenn ich saure Früchte esse, wie Kiwi oder Apfel, brennt das wie die Hölle. Als ich heute dieses Dorf hier reinlief hatte jemand aufs Fensterbrett verschiedene Cremes und Tinkturen gestellt und den Preis drangeschrieben – natürlich war auch was für die Lippen dabei. Nur natürliche Inhaltsstoffe und nicht mal Honig sondern in dem Fall Kakaobutter. Durch den Balsam ist es schon ein bisschen besser geworden.
„Der Weg gibt dir was du brauchst“, habe ich vorher oft gelesen. Bisher gibt er mir wirklich genau das, was ich brauche. Das ist faszinierend. Jetzt bereite ich noch das essen für morgen zu Ende zu und dann pack ich schon mal alles zusammen. Morgen geht‘s früh zum eigenen Frühstück und dann auch früh los.
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[timed ondate=“20170909″]Tagebucheintrag von Mittwoch, den 09.09.2015:
Tag 55, Auvillar – La Romieu, 51km – ca. 550hm
Heute war ein harter Tag. Besonders die letzten 5km waren eine echte Tortur. Ich muss schauen, ob ich morgen 46km aushalte oder doch nach 38km aussteige. Ich treffe immer mehr Pilger unterwegs und bin heute an einer Gruppe deutscher Pilger vorbei. Ich bin aber gerade ganz froh, allein unterwegs zu sein und bin deshalb einfach vorbeigegangen. Ich ziehe jetzt bis Spanien mein eigenes Ding durch. Mal wieder eine Woche allein sein ist eine schöne Vorstellung. Wenn sich in einer Gite was ergibt ist das super, aber proaktiv werde ich das Thema erstmal nicht angehen.
Morgen soll es zur Abwechslung mal wieder regnen. Nachdem ich mir heute wieder einen leichten Sonnenbrand um Nacken, an den Ohren und wahrscheinlich auch den Waden geholt hab, ist das sogar ganz gut. Auch für meine Schuhwahl ist es gut. Die normalen Trailfreaks sind leider schon wieder so gut wie durch – die Belastung und der Druck auf die Schuhe sind aber auch enorm hoch.
Außerdem habe ich eben die zweite Hälfte meiner Kontakte bei Xing angeschrieben und wieder viel mit meinem besten Kumpel geschrieben. Mal schauen, ob die Aktion bei Xing was bringt.
Ich merke hier immer mehr, mit wir wenig ich eigentlich zurechtkomme und das ist gut so. Selbst wenn ich mal Geld haben sollte, brauche ich nicht wirklich viel, um über die Runden zu kommen.
Heute fiel mir bei einem Lied von den Toten Hosen auf, dass ich meinem Dad ähnlicher bin, als ich es manchmal wahrhaben will. Wer will schon gern so sein, wie sein Vater? Ich wollte nie so sein. Ich merke aber immer mehr, dass seine Grundeinstellung (für mich) richtig ist – aus meiner Sicht ziehe ich aber die richtigen Konsequenzen daraus, während er es nicht tut.
Gerade ist hier eine eigentlich ziemlich unverschämte aber auch sehr witzige Situation in der Gite. Es gibt nur ein großes Licht und niemand macht es aus. Außerdem ist auf der Bettseite gegenüber eine Familie, die ziemlich laut ist, was einer Dame links von mir, die die Nase sehr hoch trägt, ziemlich auf den Sack geht. Sie hat mir eben (vor 21 Uhr) schon zu verstehen gegeben, dass sie das Tütenrascheln meinerseits nicht so toll findet. Aber ich war sehr leise im Gegensatz zu der Familie, die zwar witzig ist aber laut.
Naja, jetzt ist das Licht aus und ich schlafe auch mal. Achso, noch eine kurze Story von heute: da war so ein Typ, der ein wenig aussah wie ein Samurai. Er hatte auch zwei Pilgerstäbe und hat mit denen beim Gehen immer wieder „gerudert“. Das sah witzig aus. Irgendwann hat er mich überholt und ein Tempo an den Tag gelegt wie kein anderer. Ich hab mich drangehängt – so ein Pace-Maker ist, wenn man über 50km zurücklegen will, gar nicht schlecht. Irgendwann hat er jedoch „aufgegeben“ und an einem See eine Pause eingelegt und danach habe ich ihn nicht mehr gesehen. Schade eigentlich, er war ein guter Pacemaker. Gute Nacht.
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[timed ondate=“20170910″]Tagebucheintrag von Donnerstag, den 10.09.2015:
Tag 56, La Romieu – Eauze, 47km – ca. 300hm
Heute war wieder ein Tag, an dem ich eines dieser Tiefs hatte, die ich nicht beschreiben kann. Die Beine wollten nicht, die Schulter hat wehgetan, der Fuß hat geschmerzt. Immer, wenn ich Schmerzen habe, fängt auch der Kopf an, Probleme zu machen. Dennoch habe ich es durchgezogen. Das Wetter hat mir dabei geholfen – es wurde im Laufe des Tages immer besser. Die letzten zwei Stunden habe ich mit Steffen telefoniert und alles war wieder gut. Keine Zeit mehr zu schreiben, hier schlafen alle schon und es ist dunkel. Gute Nacht.
Mit diesem Eintrag endet die achte Woche meines Tagebuchs.
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Hier geht’s zu den vorherigen Tagebucheinträgen:
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