Hier erscheint jeden Tag ein neuer Tagebucheintrag aus der dreizehnten und damit letzten Woche meiner 88-tägigen Reise auf dem Jakobsweg. In dieser Woche habe ich an den 4 Tagen, an denen ich noch unterwegs war, einen Tagebucheintrag geschrieben.In der letzten Woche habe ich folgende Strecken zurückgelegt:
Falls du gerade erst auf mein Tagebuch stößt, findest du hier die Einträge aus den anderen Wochen:
In meinem Tagebuch kannst Du meinem Kopf beim Rattern und Springen von A nach B zusehen – viel Spaß dabei.
Ich habe ab und an ein Produkte verlinkt. Wenn Du über diese Links einkaufst, unterstützt du meine Arbeit an WanderVeg.de – für dich bleibt der Preis natürlich der gleiche.
Tagebucheintrag von Freitag, den 09.10.2015:
Tag 85, Sobrado dos Monxes – Monte de Gozo, 58km – ca. 250hm
Heute morgen bin ich mit Fabio und Paula gestartet. Ich mag die beiden. Morgen werden wir uns wahrscheinlich schon wieder in Santiago sehen. Einen Facebook-Follower werde ich wohl auch noch treffen. Mit Wiebke und Luca kommen am Samstag zwei Hauptdarsteller meines Weges nach Santiago und wir trinken auf das gemeinsame Ankommen. Darauf freue ich mich schon sehr.
Heute habe ich mit 58km eine letzte Monstertour absolviert und es war hart. Am Ende hat sich der Weg gezogen wie Gummi und dann habe ich nicht mal was von Santiago gesehen – obwohl ich dachte (und gelesen habe), auf dem Monte de Gozo hätte man einen tollen Blick auf die Stadt. Dafür verbringe ich nun eine Nacht in der Riesenherberge, die eigentlich ein Dorf ist (es gibt 3.000 Schlafplätze hier). Da es bisher auf dem Camino del Norte eher entspannt zuging, wollte ich dieses Erlebnis auch einmal mitmachen. Nach dem Essen habe ich draußen den Sternenhimmel angeschaut und geheult, während es mir eiskalt den Rücken runter gelaufen ist. Santiago ist nur noch 5km entfernt. Was für ein geiles Gefühl! Mehr als 3.000km zu Fuß. Alles aus eigener Kraft. 85 Tage und nur 4 Tage Pause. Unglaublich. Immer noch und schonwieder. Jedes Mal, wenn ich darüber nachdenke. Danke lieber Körper, du bist der Hammer! Welche geniale Leistung. Gänsehaut. Immer und immer wieder. Am Ziel. „If you are ready to die, you’ll live forever, if you are ready to cry, you’re truly alife“ (Patrice).
Tagebucheintrag von Samstag, den 10.10.2015:
Tag 86, Monte de Gozo – Negreira, 28km – ca. 250hm
Meine Ankunft in Santiago. Ich bin morgens extra früh in der Herberge auf dem Monte de Gozo aufgebrochen, um einer der ersten in Santiago zu sein und die Ruhe genießen zu können. Auf den 5km habe ich mir schon Zeit gelassen, um jeden Meter voll auszukosten. Ich habe sie voll und ganz genossen und war einfach im Hier und Jetzt. Zum Glück war ich so früh dran. Dadurch war ich zunächst fast allein auf dem Platz vor der Kathedrale, wo ich die Reise noch einmal in meinem Kopf Revue passieren lassen konnte. Ein irres Gefühl. Ich habe geheult vor Freude. Selten hatte ich so eine grandiose Zeit. Ich strahle noch immer über das ganze Gesicht.
Fabio und Paula sind extra früh los, damit sie mich in Santiago wiedertreffen. Um die kurze Wartezeit zu überbrücken, habe ich mich dann im veganen Laden in Santiago noch mit Süßigkeiten eingedeckt. Dennoch fiel das Weitergehen Richtung Finisterre nicht so leicht…
Tagebucheintrag von Sonntag, den 11.04.2015:
Tag 87, Negreira – Olveiroa, 34km – ca. 400hm
Heute sind wir sehr spät los und Paula ist relativ früh mit Knieschmerzen ausgestiegen. Ich war also mit Fabio allein Richtung Olveiroa unterwegs. Es hat Spaß gemacht und Fabio erinnert mich in so vielen Dingen an mich – er hatte nur viele Erkenntnisse bereits, für die ich ein paar Jahre länger gebraucht habe.
Ich freue mich riesig darauf, viele neue Sachen zu beginnen, wenn ich wieder zu Hause bin. Aber: morgen ist der letzte Tag, den gilt es ebenfalls zu genießen. Außerdem hat ein Freund gestern 500 unglaubliche Euro gespendet und Christian will mit seiner Firma ebenfalls noch spenden. Das Ist einfach nur der Überhammer. Ich freu mich so…
Tagebucheintrag von Montag, den 12.10.2015:
Tag 88, Olveiroa – Finisterre, 33km – ca. 250hm
Tag 88 meines Jakobsweges ist eine irre Gefühlsachterbahn. Ich war den ganzen Tag mit Fabio unterwegs und teilweise hätte ich echt lieber meine Ruhe gehabt. Das lag weniger an ihm sondern viel mehr daran, dass mir heute schlagartig bewusst wurde, dass meine Reise zu Ende geht. Ich habe mich tagelang nach diesem Moment gesehnt und jetzt würde ich ihn gern abwenden.
Unterwegs haben wir Mike getroffen, der meinen Weg auf Facebook verfolgt hat. Deshalb stellt mich deshalb bei jedem als „The Legend“ vor, was irgendwie lustig ist. Als „Nicht-Rampensau“ ist mir das jedoch unangenehm. Mike ist ein sehr witziger Typ.
Dann war es irgendwann soweit: die letzten Kilometer meines Weges standen bevor. Ein ziemlich komisches Gefühl, eine gewisse Leere durch die Gewissheit, dass es wirklich „das Ende der Welt“ ist. Ich wollte noch einmal alles aufsaugen und habe gehofft, dass einige Momente ewig dauern. Der Weg zum Leuchtturm war intensiv, ich habe meine ganze Reise auf diesen wenigen Metern noch einmal durchgespielt. Am Leuchtturm habe ich ohne etwas zu sagen mit Fabio etwas abwärts von einer größeren Gruppe, in der Paula und ein paar andere aus unserer Herberge saßen, den Sonnenuntergang betrachtet. Dann hat es „Zoom“ gemacht, die Sonne ist am Horizont verschwunden und das war‘s – meine Reise nähert sich dem Ende mit jeder Sekunde die verrint.
Nach dem Sonnenuntergang haben wir noch ein Bierchen in einer Bar getrunken und ich hatte ein interessantes Gespräch mit einer älteren Dame, die, wie sie sagt, „einfach vertraut“. In allen Lebensbereichen. Auf sich und auf andere. Das war ein toller Abschluss für meinen Weg.
Morgen früh fahre ich mit dem Bus zurück nach Santiago und dann nachmittags zu meinem Bruder und seiner Freundin. Ich freu mich riesig. Am Freitag geht es dann endlich nach Köln. Ich glaub ich heule, wenn ich meine Freundin endlich wieder in die Arme schließen kann.
Tagebucheintrag von Dienstag, den 13.10.2015:
Tag 89, Rückreise aus Finisterre nach Santiago de Compostela, von dort mit dem Nachtzug Richtung Barcelona und über Paris zurück in die Heimat
Ich bin jetzt auf dem Rückweg im Nachtzug nach Barcelona. Schlafen ist hier wahrscheinlich nicht wirklich drin. Aber ich werde es natürlich trotzdem versuchen. Von der Romantik, die ich in meiner Vorstellung mit dem Fahren im Nachtzug verbunden habe, ist leider nicht viel zu sehen. Keine Schlafwägen sonder einzelne Sitze, die sich fast komplett umlegen lassen. In meiner Vorstellung liege ich in einem Hochbett im Schlafwagen und unten leuchtet eine schöne Nachttischleuchte und verbreitet ein gedimmtes, warmes Licht…
Heute habe ich noch einmal in vollen Zügen Santiago genossen. Ich bin erst entspannt durch die schönen, kleinen Gassen geschlendert, war dann mit Burkard einen Kaffee trinken und habe mich anschließend, zur Feier des Tages und ihrer Ankunft, mit Wiebke und Luca getroffen. Es war sehr lustig mit den beiden – wir haben ein bisschen zu viel getrunken, was unserem Spaß jedoch keinen Abbruch getan hat (oder ihm sogar zuträglich war?! Immer diese Drogen…). Wir haben viel gelacht und die letzten Stunden genossen. Das werde ich vermissen: Menschen, die man nur zwei oder drei Tage kennt, mit denen es sich jedoch so vertraut anfühlt wie mit der Familie. Ich bin, typisch für mich, schon eine dreiviertel Stunde bevor mein Zug kam, aufgebrochen. Wiebke hat noch ihre Späße drüber gemacht, aber den Zug Richtung Heimat wollte ich auf keinen Fall verpassen (habe ich natürlich auch nicht – ich war 35min zu früh am Bahnhof…).
Jetzt freue ich mich darauf, in Landau auf der Couch zu sitzen, meine Gedanken zu ordnen und neue Pläne zu schmieden. Ich sprieße vor Tatendrang und neuen Ideen und das fühlt sich verdammt gut an. Danke Jakobsweg!
Tagebucheintrag von Mittwoch, den 14.10.2015:
Tag 90, Ankunft in der Heimat
Kein Tagebucheintrag
Tagebucheintrag von Donnerstag, den 15.10.2015:
Es ist 23:30 Uhr und ich liege bei meinem Bruder im Arbeitszimmer. Ich fange langsam wieder an, meine Zehen richtig zu spüren und das ist gerade ein irres Gefühl. Genauso wie meine Gedanken an den Weg. Verrückt, dass ich fast drei Monate unterwegs war und dabei über 3.000km zurückgelegt habe. Ich kann es immer noch nicht glauben.
Steffen zu seinem Geburtstag zu überraschen ist wirklich gelungen. Der Weg nach Landau mit dem Zug war jedoch eine Schinderei. Die Sitze im Nachtzug waren unbequem, weil man sie nicht komplett umlegen konnte. In Sitzhaltung schlafen fand ich noch nie so angenehm. Im Anschluss an den Nachtzug bin ich mit dem TGV von Barcelona nach Paris gefahren. Darin ging schlafen noch weniger und so hatte ich über die 28 Stunden Zugfahrt verteilt nur 5 oder 6 Stunden Schlaf, was alles in allem nicht wirklich erholsam war. Umso schöner ist es, hier in einem „normalen“ Bett zu schlafen und mich wieder zu Hause zu fühlen. Ich habe zum ersten Mal seit Wochen durchgeschlafen ohne einmal aufzuwachen. Das Gefühl kannte ich echt nicht mehr.
Mein Jakobsweg-Projekt geht zu Ende aber ich bin mir sicher: ganz viel Neues fängt gerade erst an…
Mit diesem Eintrag endet die zwölfte Woche meines Tagebuchs. Nächste Woche berichte ich dann von der Ankunft in Santiago de Compostela und von meiner Heimreise.
Mit diesem Eintrag endet mein Jakobsweg-Tagebuch. Schön, dass du an meiner Reise virtuell teilgenommen hast. Ich freue mich auf dein Feedback.
Hier geht’s zu den vorherigen Tagebucheinträgen:
Jakobsweg-Tagebuch Woche 1
Jakobsweg-Tagebuch Woche 2
Jakobsweg-Tagebuch Woche 3
Jakobsweg-Tagebuch Woche 4
Jakobsweg-Tagebuch Woche 5
Jakobsweg-Tagebuch Woche 6
Jakobsweg-Tagebuch Woche 7
Jakobsweg-Tagebuch Woche 8
Jakobsweg-Tagebuch Woche 9
Jakobsweg-Tagebuch Woche 10
Jakobsweg-Tagebuch Woche 11
Jakobsweg-Tagebuch Woche 12
0 Kommentare